Man möchte meinen, Salomos Männer halten sich vor mir versteckt. Auf einen Großteil mag das zutreffen, nicht jedoch auf Kevin Ritt. Heute sitzt er mir gegenüber und lässt mich hoffentlich in die Gedankengänge von Salomo Einblick nehmen, der dies ja in einigen Belangen bewusst abgelehnt hat.
„Kevin, ich bin so frei und stelle dir die Frage, die so viele Interessiert. Warum der Nachname Ritt? Warum überhaupt einer, wo du doch als Sklave nie einen besessen hast?“
„Genau deswegen. Als Sklaven sind wir für die Dämonenfürsten nichts wert. Wir bekommen einen Namen und den müssen sie sich nicht einmal merken, wenn es ihnen zu viel Arbeit ist. Aber mit einem Nachnamen holen wir uns etwas zurück, was vor Jahrtausenden unseren Vorfahren gehört hat: Ein Stück unserer Menschlichkeit.“
„Du hast bereits zu Beginn deinen Auftritt und kommst immer wieder. Kann man dich als kleines Gewissen Salomos bezeichnen?“
„Ich würde es niemals wagen so weit zu gehen. Sicher, ich versuche vieles von ihm fernzuhalten, was für ihn nicht von Bedeutung ist. Beispielsweise die Jagden. Unsere Männer müssen dafür hinaus in die Gefahr und ich bin zuständig nur die besten von ihnen zu schicken. Die Dämonen mögen nicht mehr so viel Jagd auf uns machen, aber es kommt immer wieder vor, dass wir Verluste bei solchen Unternehmungen erleiden. Dann liegt es an mir Salomo davon zu berichten und die Familien zu benachrichtigen.“
„Sicher keine angenehme Arbeit. Wie oft wurdest du dabei schon beschimpft und angegriffen?“
„Öfter als mir lieb ist, aber ich kann nicht anders. Jeder weiß, das Salomo für uns das Beste wollte, als er uns in die Freiheit führte. Diese mag im Gegensatz zu dem bequemen Leben einiger früherer Sklaven heute beschwerlich erscheinen, aber wir sind eine Gemeinschaft und wir halten zusammen.“
„Ach ja? Mir kommt es so vor, als wäre es eine willkürliche Entscheidung, wer gerade in den Genuss eines Schutzes durch Salomo kommt und wer nicht. Ist das letztlich sein Beschluss, der da umgesetzt wird oder hast du die Finger mit ihm spiel?“
„Es wäre töricht zu sagen, wenn es nicht so wäre. Also ja, es kommt vor, dass ich Salomo auf einen etwaigen Verräter aufmerksam mache. Wie er mit diesem letztlich verfährt ist jedoch noch immer seine Entscheidung.“
„Und du hast die nie angezweifelt? Keine Sekunde?“
„…“
„Kevin, was ist los? Kannst du die Frage nicht beantworten oder willst du nicht?“
„Ich habe bereits lange genug mit dir gesprochen, Dämonenbote. Du solltest gehen.“
„Komm schon, Kevin. Wir sind hier an einem Punkt, wo wir weiterreden sollten. Also hast du eine von Salomos Entscheidungen jemals bereut oder nicht? So schwer ist die Frage doch nicht zu beantworten, oder?“
„Geh endlich.“
Mir wird bewusst, dass ich hier einen Nerv getroffen haben muss. Zudem sagt mir ein Blick über die Schulter, dass Salomo sich in der Nähe rumtreibt und mich beobachtet. Allmählich dämmert mir, dass Kevin wahrscheinlich an einem anderen Ort eher mit mir gesprochen hätte, aber ich habe meine Gelegenheit vertan und eine neue wird nicht wiederkommen. In dem Sinne nicke ich knapp und verlasse ihn nun. Dass er sich hinterher mit Salomo unterhält mag nichts bedeuten, aber ich werde ab jetzt besser vorsichtig sein mit wem und vor allem wo ich mit jemand meine Interviews führe. Bis zum nächsten Mittwoch.