Heute gelangen wir zu einer ganz besonderen Gestalt. Ich wollte mich ursprünglich mit ihm auf dem Friedhof treffen. Allerdings wurde dieser Vorschlag vehement abgelehnt, was mir vor Augen führt, dass ein Kerl wie dieser auch abseits seiner Arbeit ein Leben hat. Dementsprechend sitzen wir in dieser verqualmten Bar beieinander und genehmigen uns einen Schnaps.
„Du wirst für die Flasche zahlen, Flügelmann.“
„Klar doch, Terry. Aber erst reden wir. Du bist ja nicht gerade eine Person, die man in solch einem Buch erwarten würde, oder?“
„Warum nicht? Ich bin einfühlsam, ruhig und hab was für leidende Frauen übrig.“
„Mag sein. Sehen wir mal darüber hinweg, wie gut kanntest du Evy, bevor es zu eurer kurzen Unterredung im Buch kam?“
„Ich kannte bereits ihre Großmutter, als diese ihren Mann verbrennen ließ. Als Totengräber habe ich ihr Angeboten für die Urne ihres Mannes einen Platz unter einem Baum zu finden. Eigentlich ist das ja verboten, aber wen stört es denn? Er ist tot und seine Asche ist ja nicht mehr als die Überreste eines Toten. Ob der jetzt in der Erde als Ganzes verrottet oder in einer Urne ist doch völlig egal. Aber sie wollte es ohnehin nicht. Darum gab es ja auch kein Grab, als Evys Großmutter starb und sie sich mit der Verwaltung rumschlagen musste.“
„Gib’s zu, Terry, du hast da doch nachgeholfen, oder?“
„Es könnte sein, dass ich ihr geraten habe sich an die Stadtverwaltung zu wenden und damit die Friedhofsverwaltung zu umgehen. Allerdings sollte das keiner erfahren, immerhin hängt mein Job davon ab und ich mag meinen Job.“
„Wirst du eigentlich mit Vorurteilen Konfrontiert, da du tätowiert und gepierct bist?“
„Ist man Totengräber achtete darauf so gut wie keiner, Flügelmann. Sicher, die Leute starren einen dumm an, aber im Prinzip ist man unsichtbar für die. Darum ist es recht einfach alles auf so einer weitläufigen Fläche mitzubekommen. Keiner nimmt einen wahr und an manchen Tagen ist das durchaus hilfreich.“
„Du kommst ja nur einmal kurz im Buch vor. Hat dich das sehr gestört?“
„Nein. Mir wurde von Anfang an gesagt, dass meine Rolle eine kleine ist und sich vielleicht nur dann ausbaut, wenn das zwischen Evy und dem Typ nicht hingehauen hätte. Kann sein, dass ich Vincent gesteckt habe, wie er sie überrumpelt. Vielleicht war’s auch eine Verbindung zwischen ihm und Evys toter Großmutter, als er sich von der eine Antwort erwartet hat. Ich kann’s nicht genau sagen und will es auch gar nicht. Am Ende der Szene bekam ich meinen Schnaps von der Autorin spendiert und habe ihr geraten die Sache weiter im Auge zu behalten. Die Story hat Potential. Wenn man das erstmal erkennt kommt man von den Figuren nur mehr schwer los. Ist eine Tatsache.“
„Eine letzte Frage noch. Deine Drachentätowierung, hast du dir genau diese aus einem bestimmten Grund stechen lassen oder war es einfach eine Eingebung, der du gefolgt bist?“
„Ich hatte ursprünglich eine Schlange. Allerdings war das in der Neuauflage ein Hinweis, das derartiges womöglich irreführend wäre, weil's da schon eine andere Figur mit einer gab. Die Autorin hielt dann mit mir Rücksprache und wir kamen zu dem Ergebnis, dass Drachen sich eigentlich immer gut auf der Haut machen. Daraus resultierte letztlich ein Drache, was sich in Anbetracht der Reihe sehr gut eingegliedert hat.“
„Sehr aufschlussreich, Terry. Ich schätze, du bist nicht gewillt noch eine Frage bezüglich deiner Piercings beantworten willst?“
„Stimmt. Wir hatten schließlich eine Schnapsflasche und sechs Fragen ausgemacht. Und ich bedanke mich für die Einladung. Also, man sieht sich wahrscheinlich das nächste Mal, wenn du auf dem Friedhof rumstreunst.“
„Ich streune nicht!“
Ach wozu mache ich mir überhaupt die Mühe. Er ist längst weg und ich glaube er hat sogar die Flasche eingesteckt. Unmöglicher Kerl, aber einer, der mit seinem Charakter durchaus Schwung in die Handlung bringen konnte und uns zudem einen kleinen Einblick in Evys Hartnäckigkeit gewährte. Aber diesbezüglich rate ich euch das Buch zu lesen.
Viel Spaß damit und in der kommenden Woche lesen wir uns wieder. Euer Merfyn.