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  • Merfyn

… und trinkt mit Didi


Ich habe also Salomo hinter mir gelassen und sitze nun in einem Waggon der irgendwas zwischen einer Bar und dem Lager für verkrachte Existenzen in den Tiefen Breslaus ist. Jedenfalls wurde mir der Weg dorthin so beschrieben und mir gegenüber habe ich eine Frau stehen, die mich ansieht als wäre ich der Leibhaftige selbst. Verständlich – meine Gegenwart ist in Anbetracht der Umstände nicht gerade die klügste, aber ich gehe ja gerne Risiken ein.

„Didi, wollen wir gleich anfangen? Ich frag mal munter darauf los und möchte von dir wissen, eine Priesterin und das in dieser Zeit? Eine Erklärung, warum es gerade dich getroffen hat?“

„Nicht wirklich. Ich vermute, dass die Autorin eine Beständigkeit innerhalb der Story finden wollte. Wahrscheinlich war es auch einfach dem Umstand geschuldet, dass in der gegenwärtigen Lage eine Person wie ich wohl die wenigsten vermuten würden. Immerhin ist uns der Himmel ja nicht gerade gewogen.“

„Wo du es schon ansprichst. Wundert es dich nicht, dass die sich so sonderbar ruhig verhalten? Ich mein, im ersten Teil tauchte Michael auch auf und nun scheint es fast so, als würde der Himmel euch eurem Schicksal überlassen.“

„Ich habe schon vor langer Zeit aufgehört mich derartiges zu fragen. Sie sind es wohl leid auf uns zu achten. Kann man es ihnen verdenken? Salomo ernennt sich selbst zu etwas, das keiner – nicht mal er selbst – beweisen kann und wir stehen daneben und lassen ihn machen. Im Prinzip lässt uns der Himmel mit seiner Teilnahmslosigkeit ausrichten, dass wir für ihn nicht mehr existieren. Wir haben unseren Glauben verloren. Da rede ich jetzt nicht von Gott oder sonst einer höheren Macht, darauf geschissen. Ich rede von uns! Wir haben den Glauben in uns selbst verloren.“

Mir drängt sich an dieser Stelle die Frage auf, ob Didi ganz nüchtern ist. Es scheint der Fall zu sein, was man angesichts ihrer Worte kaum glauben kann. Andererseits hat sie in den letzten Wochen so viele Tote gesehen, dass man wohl zu dieser Einstellung gelangen muss.

„Schonungslos ehrlich und da wunderst du dich, warum du zur Priesterin ernannt wurdest?“

„An manchen Tagen komme ich mir vor wie die Barfrau der Tiefen von Breslau. Eventuell resultiert daher die Priesterin. Weil die Leute ohnehin zu mir kommen, wenn ihnen etwas nicht unter die Nase passt. Sie laden ihre Sorgen bei mir ab und ich kümmere mich darum die Situation zu verbessern.“

„Immer ist dir das aber nicht gelungen, nicht wahr?“

„Was willst du damit sagen, Merfyn? Das all das meine Schuld ist? Ist es nicht. Es ist die Schuld von … Weiß der Teufel von wem genau. Ist heute ohnehin gleich einen Verantwortlichen zu suchen. Diejenigen die es betrifft, die findet man hier nicht. In Breslau treibt sich lediglich rum, was nach Freiheit strebt und hofft einen Sieg einzufahren.“

„Zynische Träume, wenn man sich die Handlung vor Augen führt?“

„Ja, nicht wahr? Ist es nicht bereits auf den ersten Seiten klar? Manchen vielleicht nicht und andere wollen es nicht sehen – genauso wie wir es nicht erkennen wollten.“

„Vielleicht wird im Nachhinein ja alles besser?“

„Das bezweifle ich. Aber wer weiß, vielleicht hast du ja recht.“

„In jedem Fall kannst du nicht abstreiten, dass du deine Finger bei einigen Ereignissen im Spiel hattest?“

„Ich würde niemals so weit gehen und das Gegenteil behaupten, aber ich war dabei nicht alleine.“

„Eigentlich ist schon auf den ersten Seiten klar, dass du keine Freundin von Salomo bist. Warum bist du dann doch geblieben?“

„Was hätte ich für eine Wahl gehabt, Merfyn? Davonlaufen? Wohin? Es ist überall gleich.“

„Nicht ganz.“

„Ach bitte, es mag Gegenden geben, wo es besser scheint, aber wie weit darf man dem trauen? Nein, Breslau und die Umgebung kenne ich. Es stand nie zur Debatte zu gehen. Ich bin ein Gegenpol zu Salomo, das war von Anfang an klar. Nie darüber gesprochen wurde, wie groß dieser Einfluss auf ihn sein könnte. Aber um sagen zu können, ob es funktioniert hat muss man das Buch lesen und sich seine eigene Meinung über jeden von uns bilden. Ich vermute du willst noch mit Greg reden? Dann solltest du eine der Flaschen mit an den Tisch nehmen und am besten hast du noch ein paar Selbstgedrehte dabei.“

So wird man also in Breslau aus einer Unterhaltung – aber nicht aus einer Bar – geworfen. Ich muss zugeben Selbstgedrehte hab ich beim Interview mit Vincent mitgehen lassen. Kein Problem und was den Fussel angeht hier findet sich ja genug davon. Und so nett wie Didi gerade war hat sie auch schon den nächsten Gast für den kommenden Mittwoch vorgestellt. Freut euch darauf und ich freue mich aufs erlaubte Trinken, außer dieser Greg säuft die ganze Flasche alleine aus.

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