Wie König Bael vorgeschlagen hat streifte ich also durch Breslau und finde mich an den Ausläufen der Stadt ein. Ich habe den Ort nicht zufällig gewählt, denn genau hier finde ich jenen Prinzen, der in meinen Augen zum einen der menschlichste von allen ist und zugleich auch jener, der am wenigsten kriegerische.
„Prinz Seere.“
„Eine Verbeugung von dir, Merfyn? Was für eine Ehre. Man erzählt sich, dass nicht mal der Regent dich zu derartigem verleiten kann.“
„Na ja, er hat es bis jetzt einfach nicht richtig angefangen. Ihr wisst warum ich hier bin?“
„Eine ernsthafte Frage von dir? Jedem ist es bekannt. Du läufst herum und versuchst etwas über uns ans Tageslicht zu bringen, das bei manchen von uns am besten verborgen bliebe.“
„Redet Ihr von Eurer Geliebten?“
„Du hast sie gesehen?“
„Es scheint ihr recht gut zu ergehen. Jedenfalls hat es den Anschein. Wie kam es eigentlich, dass gerade diese Frau Euer Interesse so sehr wecken konnte?“
„Du wolltest doch vielmehr fragen, warum überhaupt ein Mensch. Dämoninnen sind zu einem großen Teil auf Titel fixiert. Sie steigen mit allem ins Bett was Rang und Namen aufweist. Ich sollte vermutlich besser sagen, was den Rang eines Präsidenten oder Königs trägt. Das ist für sie begehrt. Ein Mensch schert sich nicht um derlei Dinge.“
„Eure Heilerin wohl am allerwenigsten, nicht wahr, Prinz?“
„Da magst du recht haben. Perla hat kein Problem damit sich die Hände schmutzig zu machen. Sie ist Heilerin mit Leib und Seele. Sie trägt ihr Herz auf der Zunge. Manchmal folgt daraus ein Streit, der bleibt auch zwischen uns nicht aus, aber sie weiß, dass ich sie liebe und jederzeit beschütze, ganz gleich, was es mich kosten kann.“
„Das hört sich ganz danach an als wärt Ihr jederzeit bereit auf Euren Titel zu verzichten – für sie.“
„Liebt ein Dämonenfürst so währt diese Liebe bis in den Tod hinein. Die Gefahr einen Menschen zu begehren ist dabei ungleich höher. Man verliert sein Herz an die Person und erkennt erst viel zu spät, dass man nach dessen Verlust den Lebenswillen verliert. Derartiges kann man nur in den seltensten Fällen ausgleichen.“
„Ihr und auch Perla stammt nicht aus dieser Gegend, Prinz. Wie kam es dann, dass Ihr nun in Breslau sitzt?“
„Ach, Merfyn. Kleiner, unbedarfter Merfyn. Du denkst doch wohl nicht, dass ich hier stehe, auf Perla warte und dir nebenbei die ganze Geschichte aus dem Buch erzähle, oder? Für wie dumm hältst du mich?“
„Einen Versuch war es wert. Aber wenn Ihr schon nicht darüber reden wollt, wie sieht es mit dem Kennenlernen zwischen Euch und der Heilerin aus. Dürfen die Leser da mehr darüber erfahren?“
„Meine Erinnerungen daran sind geprägt von Schmerzen und Fieber. Dennoch werde ich niemals ihre Augen vergessen. Blau und Grün. Sie saß jeden Tag bei mir, sobald ich aufwachte. Vielleicht traute sie sich nicht zu gehen, weil ich ihr befahl zu bleiben. Andererseits ist Perla keine Frau, die sich leicht von jemandem beeindrucken lässt. Ganz gleich ob Dämon oder Mensch und egal welchen Titel selbiger trägt. Sie blieb einfach bei mir.“
„Und landete letztlich in Eurem Bett.“
„…“
„Prinz?“
„Das war wohl keine Frage. Ich werde mich mit dir darüber auch nicht unterhalten, Merfyn. Du kannst generell vom Glück reden, dass ich dir dafür nicht den Schädel spalte. Es ist meinem guten Willen und dem Zureden der Autorin zu verdanken. Mäßige dich dennoch in deinem Tonfall. Wenn man dich so reden hört, könnte man beinahe glauben, Perla wäre nicht mehr als eine Hure.“
„Ich sage das ungern, Prinz, aber in den Augen so mancher ist sie das.“
„Geh.“
„Was?“
„Du sollst mir aus den Augen gehen, Merfyn. Am besten du verschwindest ganz aus der Stadt.“
„Wenn Ihr das erwartet.“
„Ich erwarte es nicht, das ist ein Befehl. Du bist lediglich ein Dämonenbote und hast Anordnungen zu befolgen.“
Ich kann gar nicht so schnell reagieren, wie sich bereits fünf infernalische Dämonen in meinem Rücken einfinden. Ihr loderndes Aussehen führt mir vor Augen, dass man einen Prinzen wie Seere niemals unterschätzen oder gar beleidigen darf. In Anbetracht der Umgebung und der Anspannung, die bei den Dämonen und Menschen vorherrscht ist es wohl wirklich am besten zu gehen. Andere Städte und Dämonenfürsten warten ohnehin noch auf mich und vielleicht laufe ich Prinz Seere eines Tages erneut über den Weg. Womöglich bekomme ich dann die Gelegenheit mich zu entschuldigen. Gegenwärtig hänge ich jedoch an meinem Leben und ein Blick des Prinzen genügt mir, um zu wissen, dass er es zum momentanen Zeitpunkt nicht hören will.
In dem Sinne mache ich mich auf und kehre Breslau den Rücken, um eine neuerliche Pause einzulegen, bis es wieder heißt Merfyn fragt …